Dies ist eine „Drei Dinge“-Ausgabe, in der ich drei zentrale Einsichten aus dem 2. Timotheusbrief vorstelle. Im letzten Punkt untersuche ich auch, wie Paulus seinen Text strukturiert hat. Ein Teil dieser Einsichten ergibt sich daraus, dass ich vor kurzem 2. Timotheus gelehrt habe. Ein weiterer Teil entspringt einer Aktivität, die wir während unseres Bibliquip-3-Treffens im Februar dieses Jahres durchgeführt haben. Wir waren als Mitarbeiter von Bibelkursen in JMEM Europa zusammen – etwa 60 von uns. Und dreimal während dieser Tage setzten wir uns in Kleingruppen zusammen für eine intensive Bibelbetrachtung über 2. Timotheus 2 und 3.
Eine Sache, die wir gelernt haben? Wir haben noch viel zu lernen. Nun zu meinen drei neu gewonnenen Einsichten in 2. Timotheus.
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST
2. Timotheus 3,16: Wie weiß Paulus das?
Beginnen wir mit einem der bekanntesten Verse aus 2. Timotheus: 3,16. Es ist unser wichtigster Beweisvers für die Inspiration der Bibel:
Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit
Allerdings… als Paulus diese Worte schrieb, gab es noch kein Neues Testament (NT). Die „Schrift“, von der er spricht, sind die Bücher dessen, was wir das Alte Testament (AT) nennen. Paulus betrachtet sie als von Gott eingegeben (wörtlich: ausgehaucht oder ausgeatmet).
Woher bezieht er diese Erkenntnis? Was ist die Grundlage für seine Aussage? Die Antwort ist nicht sofort offensichtlich. Es gibt keinen Vers im AT, der etwas Ähnliches aussagt.
Die Antwort liegt aller Wahrscheinlichkeit nach in der Erfahrung. In diesen Texten spricht Gott auf eine Weise, wie es in keinem anderen Text zu finden ist. Diese Schriften unterscheiden sich qualitativ von allen anderen Schriften.
Verstehe mich nicht falsch. Ich denke nicht in erster Linie an individuelle Erfahrungen. Es ist die geschichtliche und gemeinschaftliche Erfahrung Israels unter dem Alten Bund und die der Kirche unter dem Neuen. Unsere persönliche Erfahrung (und die des Paulus) bestätigt den einzigartigen Status dieser Textsammlung, begründet sie aber nicht.
Gottes Atem erscheint auch in 1. Mose 2, als er den ersten Menschen zum Leben erweckt. In vergleichbarer Weise hauchte Gott den Worten der Heiligen Schrift Leben ein. Wie uns Hebräer 4,12 und 1. Petrus 1,23 sagen, ist es ein „lebendiges“ Wort.
Später erkannte die Kirche denselben göttlichen Atem in den Schriften, die wir heute das Neue Testament nennen. Sie tragen die gleiche inspirierte, „be-geist-erte“ Qualität wie das Alte Testament.
Und deshalb ist die Schrift lebendig – und deshalb kann sie etwas bewirken.
2. Timotheus 2:11-13: Ein willkürlicher Spruch?
Mitten in den direkten Anweisungen an Timotheus lesen wir:
Es ist ein wahres Wort:
Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben.
Wenn wir standhaft bleiben, werden wir auch mit ihm herrschen.
Wenn wir ihn aber verleugnen, wird er auch uns verleugnen
und wenn wir untreu sind, bleibt er dennoch treu
denn er kann sich selbst nicht verleugnen. (2. Tim. 2,11-13, NeÜ)
Paulus tut dies häufiger in den Pastoralbriefen (Titus und 1. und 2. Timotheus): Er wirft ein Wort oder einen Spruch ein, oft als „wahr“ gekennzeichnet. Nicht selten wirkt dieses Wort etwas willkürlich, wie in diesem Kontext auch.
Das hat mich schon immer beschäftigt: Was hat dieses Wort, dieser Spruch, mit dem zu tun, was voraus geht oder folgt? Was ist der Sinn?
Als ich mit anderen über die Bibelstelle diskutierte, wurde es mir klar. Paulus verwendet Stichwörter, um dem Text einen Zusammenhalt zu verleihen.
In 2. Timotheus 2,8 erinnert er Timotheus an „Jesus Christus … der von den Toten auferweckt wurde“ (NeÜ). Wegen dieses Evangeliums, so Paulus, „ertrage ich das alles für die Menschen, die Gott erwählt hat, damit auch sie durch Christus Jesus gerettet werden und an der ewigen Herrlichkeit teilhaben“ (2. Tim. 2,10, NeÜ).
Was das Wort (des Evangeliums) vertrauenswürdig macht, ist ein anderes Wort (2. Tim. 2:11f), das aus vier Zeilen besteht. Vielleicht war es Teil eines Hymnus oder eines Glaubensbekenntnisses, wir wissen es nicht. Die ersten beiden Zeilen sind positiv und wiederholen die Ideen von Auferstehung, Standhaftigkeit und ewiger Herrlichkeit (mit ihm leben und herrschen). Die dritte Zeile steht im Gegensatz dazu. Sie weist auf die negative Konsequenz hin, wenn man Christus verleugnet.
Die vierte Zeile ist schwieriger. Ist sie ebenfalls negativ (er bleibt sich in seinem Urteil und Gericht treu)? Dann gibt es ein Gleichgewicht zwischen zwei positiven und zwei negativen Zeilen. Oder ist die vierte Zeile eine positive Schlussfolgerung: Gott wird uns nicht den Rücken zukehren; Umkehr bleibt möglich. Die partielle Parallele in Römer 3,3 (cf. 1. Joh. 1,9) unterstützt eher die letzte Möglichkeit. Es handelt sich weniger um eine Warnung als um ein Wort des Trostes: Er wird sich nicht abwenden.

Unstrukturiert oder durchdacht?
Im vorherigen Abschnitt wurde diese Frage bereits angesprochen in Hinblick auf ein Zitat, aber das Problem ist breiter. Auf den ersten Blick wirken die Pastoralbriefe im Gegensatz zu den anderen Briefen des Paulus unstrukturiert. Der Verfasser springt hin und her zwischen persönlichen Ermahnungen, der Entlarvung falscher Lehrer und Zusammenfassungen des Evangeliums.
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass Paulus absichtlich Stich- oder Ankerwörter verwendet, um einen textlichen Zusammenhalt zwischen den Absätzen zu schaffen. Ich werde im Folgenden darlegen, wie das in 2. Timotheus 1 funktioniert.
Im ersten Absatz des Briefkörpers (2. Tim. 1,3-7) erinnert Paulus sowohl an den Glauben seiner Vorfahren als auch an den Glauben der Mutter und Großmutter des Timotheus. Zwei Begriffe verbinden diesen Absatz mit dem nächsten: Furcht und Kraft (2 Tim. 2,7). Auch das Verbindungwort darum verbindet die beiden Absätze (2. Tim 2,8).
Kraft wird in 2. Timotheus 2,8 wiederholt. Die Idee von Furcht zeigt sich als Scham (2. Tim. 1,8 und 12). Sowohl Furcht als auch Scham können eine Reaktion auf ein Leiden sein, das durch das Evangelium verursacht wird.
Einen weiteren Zusammenhalt wird hergestellt durch die Fokussierung auf das Zeugnis (2. Tim. 1:8), das Evangelium (2. Tim. 1:8, 10) und das kostbare Gut (2. Tim. 1:14). Letzteres ist „mir [Paulus] anvertraut“ und auch „dir [Timotheus]“ (2. Tim. 1,12 und 14). Diese Begriffe, fast Synonyme, überschneiden sich mit dem Glauben des Timotheus im ersten Absatz (2. Tim. 1,5).
Bei all dem ist Paulus das Vorbild, dem Timotheus folgen soll (2. Tim. 1,13).
Auf den ersten Blick wechselt der dritte Absatz (2. Tim 1,15-18) das Thema. Aber nein! Beachte die Wiederholung des Stichwortes „geschämt“ in Vers 16. Der Absatz enthält positive und negative Beispiele für die Einstellung und die Reaktionen, die Paulus vorher diskutiert.
Diese Themen und verbalen Verbindungen setzen sich in Kapitel 2 fort. Timotheus sollte durch die Gnade stark sein (2. Tim. 2,1; die Idee Kraft wiederholt sich). Er soll leiden (2. Tim 2,3), so wie Paulus um des Evangeliums willen leidet (2. Tim 2,8f).
Das wahre Wort in 2. Timotheus 2,11-13 dient als Schlussfolgerung und markiert den Endpunkt der ersten Einheit im Brief. Es ist gleichzeitig eine Zusammenfassung des Evangeliums, ebenso wie 2. Timotheus 1,9f und 2,8 – eine weitere Wiederholung, die Zusammenhalt herstellt.
Ab 2. Timotheus 2,14 geht Paulus zu einer breiteren Palette von Anweisungen über. Aber greift sein eigenes Leben als Vorbild für Timotheus später wieder auf (2. Tim. 3,10ff) – eine weitere Wiederholung, die Zusammenhalt stiftet.

Eine Sache, die ich aus diesem Abschnitt mitnehme: Paulus beginnt mit einem Lob, das indirekt als ein Appell wirkt. Er sagt im Grunde genommen: „Du tust das Richtige! (Also mach weiter so!)“ Erst in 2. Timotheus 1,6 geht er zu einer direkten und ausdrücklichen Aufforderung über.
Paulus tut das Gleiche in 2. Timotheus 3,10ff. Er beginnt mit positivem Feedback, mit einem Lob („Du aber bist mir gefolgt“) und geht dann zu einem direkten Appell über. Im 1. Thessalonicherbrief macht Paulus das fast durchgehend (siehe besonders 1. Thess 4,1).
Positives Feedback als Appell oder Ermutigung verwendet, ist überzeugend und wirksam; vielleicht müssten wir, wie Paulus, öfter ein Lob aussprechen!
Bildnachweis
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Literaturangaben
Bibelzitate, wenn nicht anders angegeben: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. 1999. Revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)
NeÜ: Vanheiden, Karl-Heinz (tran.). 2019. Neue evangelistische Übersetzung (Gefell, Germany)